Am 28.
Juni ging es los mit diesem Textanfang:
Jetzt
die Geschichte, die ich nie erzählen wollte, weil ich immer gehofft
habe, dass sie weiter geht, dass sie nur ein Anfang ist von einer
größeren Geschichte, von der ich mir gewünscht habe, dass ich sie
erleben werde. Doch die Geschichte geht nicht weiter. Sie hört aber
auch nicht auf, wie es zu erwarten ist, wenn eine Frau und ein Mann
es miteinander versucht haben und es ist nichts daraus geworden. Die
Geschichte der Contessa. Jetzt die wahre, die tatsächliche
Geschichte der Contessa. Wenn ich es schaffe, die andere Geschichte
zu erzählen, die Geschichte, gegen die ich mich immer gewehrt hab,
weil ich nicht dastehen wollte wie ein Idiot, der sich das alles nur
einbildet: Ihr Eingehacktsein bei mir. Das Eingehacktsein ihres Typs
oder ihres Ex-Typs. Und wenn sie einen Freund hat oder einen
Lebensgefährten oder auch nur ein F**kverhältnis mit ihm oder sie
waren einmal zusammen und kommen nicht voneinander los, was wollte sie
dann von mir? ( … )
Folgten
in den Tagen danach beinahe täglich andere Ansätze. Aber ich hatte
einen Plan: die Geschichte, die mich drei Jahre lang beherrscht
hatte, schreibend besser zu verstehen und von dem Narr zu erzählen,
der ich darin war. Ich, der Narr, die Hauptperson. Sie und ihr Typ in
meiner Geschichte nur Nebenfiguren, obwohl es im Leben umgekehrt
gewesen war. Die beiden die Hauptpersonen in ihrem Paardrama, ich der
Buffo-Charakter, der romantische alte Clown am Rande. Imaginärer
Fluchtpunkt für eine sich langweilende Frau. Ich, gut genug für
sie, um sich mit mir wegzuträumen. Das Love Interest Dummy, um ihren Typ
eifersüchtig zu machen, aber doch nie ernsthaft in Erwägung
gezogen. Warum war ich so versessen darauf, diese Geschichte zu
erzählen? Je länger ich auf ihr herum schrieb, desto weniger
verstand ich mich. Gut möglich, dass ich sie bald aufgegeben hätte: Ich habe genug Scheisse gefressen in
dieser Geschichte, ich muss sie nicht auch noch schreibend
wiederkäuen. Es hätte natürlich auch sein können, dass beim
Schreiben etwas Überraschendes passiert, das über das erlebte Elend
hinausführt. Diese Möglichkeit gibt es immer. Deshalb schreiben wir. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen
gab es am 4. Juli eine Hackerattacke, wie es noch keine gegeben
hatte. Und es war nicht nötig, mir einen Erpresserbrief mitzuschicken, damit die Botschaft bei mir ankam. Sie drohten mir. Wenn du das
veröffentlichst, was du gerade schreibst, machen wir dir deinen Blog
platt und das können wir, weil wir das Passwort zu deinem
Google-Account haben (zugleich mein Bloghost-Account). Das war der
größte Schrecken, den sie mir eingejagt haben: dass nun
zweifelsfrei klar war, dass sie mein Passwort haben und ich mit dem
Blog ihrer Willkür ausgeliefert bin. Die
Demonstration, wie sehr ich ihnen ausgeliefert bin, folgte 14 Tage
später, als einer von ihnen mit mir Jojo spielte (siehe Nazi-Jojo).
Und das ist nach wie vor der Stand, der Frontverlauf, die Konfliktaufstellung. Sie: Wir hören so lange nicht
auf, dich zu quälen, bis du das Projekt aufgibst. Ich: Wie gerne
würde ich es aufgeben, aber ich kann mich doch nicht denen
unterwerfen. Und wenn ich es täte, wer garantiert mir, dass sie dann
wirklich aufhören mit dem Onlinemobbing (Anonym) und nicht die nächsten Forderungen stellen: den Blog zu
löschen oder wenigstens die Einträge, in denen er, der Mann mit
seiner wichtigen Reputation, vorkommt. Ach, und wenn das geschehen
ist, suchen Sie sich bitte noch eine andere Wohnung, die
mindestens zehn U-Bahnstationen entfernt ist.
Trotzdem
einfach mal mit ihnen reden? Mir mal anhören, was sie sich
vorstellen? – Willkommen im Herz der Finsternis. Denn sie
beantwortet keine Mails von mir, und wenn sie es täte, würde sie mit
Sicherheit daran festhalten, dass sie nicht die ist, für die ich sie
halte (Bezaubert). Während er sie gar nicht kennt und auch wirklich
nicht weiß, worüber er mit mir reden soll. Doch wenn ich
unbedingt will, gerne. Nur um eins möchte er bitten, dieses Mal
nicht in seiner Wohnung, sondern irgendwo draußen.
Welche
Optionen habe ich noch? – Nachdem ich mir schon so viel Ärger
eingehandelt habe mit der Geschichte, mache ich auch weiter damit:
keine große Sache, vielleicht nur eine kommentierte Passage durch
die Texte, die ich schon habe. Oder ich tue, was ich mir wünsche,
seit ich heute im Morgengrauen aufgewacht bin: ich mache mich frei von all dem; ich versenke die Texte in einem Archivordner, ich denke
nicht mehr an die Geschichte, ich vergesse all diese Überlegungen und ich ignoriere die Attacken der beiden Hacker – es
sei denn, sie treiben es zu toll, dann ich gehe zur Polizei. Was ich
nicht gerne täte. Viel lieber würde ich den Fall der beiden der Nemesis überlassen. Nemesis heißt strafende Gerechtigkeit und
ist kein antiker Zauber, braucht auch keine Götter, keine hellenischen und keine anderen. Wer lange genug lebt, kann sehen, dass
es Nemesis wirklich gibt, als ein Gesetz des Lebens.
Drei Tage Bedenkzeit. Und morgen noch einen Nachsatz.